Heinrich Schickhardt: Des Herzogs und des Landes Baumeister

Ein Bericht von Stefan Benning über den Vortrag von Manfred Kurz über Heinrich Schickhardt in der GV-Runde am 5. März 2008

Der herzogliche Renaissancebaumeister Heinrich Schickhardt stand am 5. März im Mittelpunkt der Monatsrunde des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen. Leben und Werk des schwäbischen Multitalents der Epoche um das Jahr 1600 wurden vom Vorsitzenden des Geschichtsvereins Manfred Kurz den interessierten Zuhörern im gedrängt vollen Bärensaal in eindrucksvoller Weise in Bild und Wort präsentiert.

Heinrich Schickhardt wurde im Februar 1558 in Herrenberg geboren. Sein Großvater gleichen Namens war als Schreiner einst aus dem nassauischen Siegen in das Städtchen im Gäu gekommen; und schon dieser hatte seine handwerkliche Meisterschaft am Chorgestühl der Stiftskirche bewiesen (1517). Nach dem Besuch der deutschen Schule, einer 5jährigen Schreinerlehre und der anschließenden Gesellenzeit, die ihn auch ins Ausland führte, trat Heinrich Schickhardt 1578 in den Dienst des herzoglich württembergischen Landbaumeisters Georg Beer (ca. 1527-1600), einem gebürtigen Bönnigheimer.

Bestanden Schickhardts Aufträge zunächst vor allem in schreinerischen Arbeiten im engeren Sinne (Modelle von geplanten Bauwerken, Orgelgehäuse, Einlegearbeiten), begegnen wir ihm schon 1580 im Anschluss an eine dem Studium von Mühlen- und Brückenbauten gewidmeten Reise nach Nürnberg als Bauleiter und Architekten u. a. beim Bau des Stammheimer Schlösschens. Kurz nach der Gründung eines eigenen Hausstandes in Herrenberg bittet ihn 1585 die Reichsstadt Esslingen um eine repräsentative Erweiterung ihres Rathauses. Am Jagdschloss in Hirsau (Ende des 17. Jh. zerstört) und am Collegium Illustre in Tübingen sehen wir ihn in als Partner Georg Beers arbeiten. Der Wiederaufbau des 1590 völlig abgebrannten württembergischen Grenzortes Schiltach bringt ihn im Gefolge von Landbaumeister Beer auch in die Grafschaft Mömpelgard, wo das Städtchen Clerval am Doubs das gleiche Schicksal ereilt hatte. Hier begegnet Schickhardt zum ersten Mal dem in Mömpelgard regierenden württembergischen Grafen Friedrich, der ab1593 auch regierender Herzog in Stuttgart werden sollte. Offenbar konnten es die beiden nahezu gleichaltrigen Männer gut miteinander.

Gleich nach seinem Regierungsantritt in Stuttgart macht Herzog Friedrich Schickhardt zu seinem engsten Berater in allen architektonischen und technischen Fragen in Württemberg und in Mömpelgard, zu seinem persönlichen Baumeister. Schickhardt arbeitet von nun an von April bis Oktober in Mömpelgard und von Oktober bis April in Stuttgart, wo der Herzog ihm 1596 in bester Lage Baugrund und Baumaterialfür die Erstellung eines repräsentativen Wohnhauses überlässt. Von den vielfältigen Schickhardtschen Projekten (349 führt er in einem eigenhändigen Werkverzeichnis auf) seien nur einige genannt: die Neugestaltung des heute so genannten Schillerplatzes in Stuttgart mit dem Stiftsfruchtkasten, in Mömpelgard der Kavaliersbau im Schloss, das Collegium (1598), das einmal eine Universität hätte werden sollen, und die Bastionen und Befestigungen, die Schickhardt auch als versierten Festungsbaumeister zeigen. Höhepunkt von Schickhardts Tätigkeit in Württemberg ist sicher der 1599 begonnene Bau der Stadt Freudenstadt, der auf seine seit 1597 laufenden Planungen zurückgeht. Hier im Schwarzwald sollte möglicherweise einmal die neue Residenzstadt eines geografisch vereinten Württemberg-Mömpelgard entstehen, eine Idealstadt auf quadratischem Grundriss nach Form eines Mühlespiels. Als Bürger sollten u. a. französische Hugenotten angesiedelt werden.

Zweimal reiste Schickhardt nach Italien: 1598 allein, 1599/1600 in Begleitung seines Herzogs. Seine Eindrücke hielt er in einem Skizzenbuch fest. Es belegt, dass Schickhardt nicht allein an der italienischen, von Antike und Renaissance geprägten Architektur, etwa den gerade entstandenen Palladio-Bauten, interessiert war, sondern fast mehr noch an technischen Einrichtungen wie Mühlen, Schleusen und anderen Wasserbauten. Die Folge der italienischen Reisen war ein Stilwandel in Schickhardts architektonischer Formensprache. Von nun an baut er im Stile einer „ins Schwäbische umgesetzten italienischen Renaissance“, wie Manfred Kurz formulierte, „mit einem der Witterung angepassten Walmdach“. Sein Meisterwerk in dieser Periode ist sicher der so genannte „Neue Bau“ in Stuttgart, der leider Ende des 18. Jahrhunderts abbrannte und dann abgebrochen wurde. Zeugnis davon geben auch noch die Martinskirche in Montbeliard (nach Trientiner Vorbild), die Göppinger Stadtkirche, sowie Baugruppen am Schloss Hellenstein über Heidenheim, ein Flügel am Schloss Neuenbürg und das Schloss in Backnang.

Nach dem Tod seines Förderers Herzog Friedrich im Jahre 1608 wurde Schickhardt zwar zum Landesbaumeister ernannte, musste sich aber in dieser Funktion meist mit architektonischen Alltagsproblemen herumschlagen. Es fehlten Auftrag und Zeit für Spektakuläres. Immerhin gestaltete er den Pomeranzengarten am Leonberger Schloss (um 1611), in dem die Herzogswitwe Sibylle ihre letzten Jahre verbrachte. Zu seinen Arbeiten als Landesbaumeister gehörten u.a. die Kirchturmaufbauten in Cannstatt oder in Metzingen. Die Ähnlichkeit des letzteren mit dem Kirchturm in Großingersheim lässt vermuten, dass auch dieser von der Hand Schickhardts stammt.

Tragisch ist das Ende dieses württembergischen Genies, das in seinen Fähigkeiten und Interessen an Leonardo da Vinci denken lässt: Während des 30jährigen Krieges wird Heinrich Schickhardt um die Weihnachtstage 1634 „von einem frechen Soldaten“ in seinem eigenen Haus „mit dem Degen durchstoßen“ als er seiner Enkelin zur Hilfe eilen will. Zwei Wochen später, am 14. Januar 1635 erliegt er den hierbei erlittenen Verletzungen.