Bericht über einen Vortrag von Prof. Dr. Benigna Schönhagen beim Geschichtsverein Bietigheim-Bissingen (28.2.2019)
Madame Kaulla wurde 1739 als Chaile Raphael in Buchau in eine reiche jüdische Familie geboren. Ihr hebräischer Vorname wurde durch den geläufigen Namen Karoline ersetzt; aus diesem Vornamen ist umgangssprachlich „Kaulla” geworden, und dieser Name galt bald als ihr Familienname, den fortan auch ihre Nachkommen trugen.
Madame Kaullas Karriere begann, als sie nach dem Tod des Vaters mit 21 Jahren dessen Geschäft übernahm und in Hechingen eine Großhandelsfirma gründete. Mit 29 Jahren erhielt sie ein Patent als Hoffaktorin des Fürsten von Fürstenberg in Donaueschingen. Ein Hoffaktor war ein privilegierter Kaufmann, der einen Fürsten mit Luxuswaren versorgte, die für das stehende Heer nötige Ausrüstung und Versorgung organisierte und für die chronisch klammen absolutistischen Herrscher Kapital beschaffte. Madame Kaulla wurde später Hoffaktorin des Fürsten von Hohenzollern-Hechingen und machte auch Geschäfte mit dem württembergischen Herzog Karl Eugen. Die Familienfirma Kaulla, an der ihr Bruder und zwei Söhne beteiligt waren, verdiente viel Geld mit der Belieferung der kaiserlichen Armeen in den Kriegen gegen das revolutionäre Frankreich. Madame Kaulla galt als die reichste Frau Deutschlands; aber trotz ihrer Erfolge und ihres Einflusses blieb der rechtliche Status der jüdischen Familie prekär. Als der Firmensitz nach Stuttgart verlegt wurde, durften ihr Bruder und einer ihrer Söhne sich nach Protesten der Bürgerschaft nicht dort ansiedeln. Selbst Juden der reichen Oberschicht blieben auf Schutzbriefe der Herrscher angewiesen.
Madame Kaulla starb mit 70 Jahren im Jahre 1809 in Hechingen; dort ist ihr prächtiges Grabdenkmal noch heute zu sehen.