Ein Bericht von Stefan Benning über die Jahreshauptversammlung mit anschließendem Vortrag am 23. Februar 2012.
Dieser Tage hielt der Geschichtsverein Bietigheim-Bissingen im kleinen Saal des Kronenzentrums seine Jahreshauptversammlung ab. Anschließend referierte Stadtarchivar Stefan Benning über die Siedlungen und Weiler des vorstädtischen Bietigheim.
Die Bestuhlung des kleinen Saales im Kronenzentrum reichte zunächst nicht aus, um allen Besuchern Platz zu geben. Erst mit leichter Verspätung konnte deshalb der erste Vorsitzende Manfred Kurz seinen 25. Rechenschaftsbericht im Amt geben. Mit aktuell 339 Mitgliedern (2011: 325) gehört der Geschichtsverein Bietigheim-Bissingen im 27. Jahr seines Bestehens zu den größten Kulturvereinen der Stadt. Um welche quantitativ wie qualitativ namhaften Beiträge er das städtische Kulturleben 2011 bereichert hat, stellte Kurz in seinem knappen Jahresrückblick dar. Höhepunkt der Vereinsarbeit war sicherlich die Herausgabe des Nachdrucks der „Biblischen Summarien” von Conrad Rotenburger zur gleichnamigen Ausstellung des Stadtmuseums Hornmoldhaus. Die Mitglieder erhielten diesen als Jahresgabe 2011. Ute Bitz aus Kirchheim, Brigitte Schulz und Kurt Eberhard wurden für 25jährige Mitgliedschaft mit einem originalen Kunstdruck von Robert Würth geehrt.
Selbst die großen Investitionen in die bereits zweite Buchproduktion des Vereins sowie die aufwändigeren Fernreisen brachten diesen nicht in finanzielle Schieflage, wie Kassier Reiner Theurer in seinem Kassenbericht feststellen konnte. Hans-Christian Wolff bestätigte namens der Kassenprüfer die einwandfreie Buchhaltung Theurers. Helmut Butz dankte daraufhin namens der Mitgliederschaft dem Vorstand für seine engagierte Arbeit und beantragte seine Entlastung. Sie wurde einstimmig erteilt.
Im Anschluss widmete sich Stadtarchivar Stefan Benning in seinem Vortrag den vorstädtischen Wurzeln des mittelalterlichen Bietigheim. In seiner mit Karten und Bildmaterial anschaulichen Präsentation ging Benning den drei von Sebastian Hornmold in den Bietigheimer Annalen 1526 erwähnten einstigen Siedlungen Hofen, Hägenau und Bietigheim nach. Von diesen blieb schließlich nur Bietigheim als Zentralort übrig, aus dem dann 1364 die Stadt wurde.
Das auf dem rechten Enzufer zwischen heutiger Methodistenkirche und Krankenhaus gelegene Hofen wird 844 in einer Güterschenkung an das Kloster Lorsch als „Hofoheim” erstmals erwähnt. Es besaß eine dem Heiligen Laurentius geweihte Pfarrkirche. Eine eigenartige Doppelbestattung im 1988/89 ausgegrabenen römischen Gutshof im Weilerlen hatte der Archäologe (und Vereinsmitglied) Dr. Ingo Stork schlüssig auf einen Ungarneinfall im 10. Jahrhundert zurückführen können. Auch das Hofener Laurentius-Patrozinium steht damit in direkter Verbindung. Bei Bauarbeiten im Bereich der Rathenaustraße wurden immer wieder Gräber des Hofener Friedhofs angeschnitten, zuletzt im Jahre 2009; hier muss demnach der Standort der Kirche zu suchen sein. Diese bestand bis zur Reformation und wurde in städtischer Zeit von Bietigheim aus pfarrlich betreut. 1547 wurde ihr Abriss beschlossen.
Auch in Hägenau fanden sich römische Baureste, zuletzt beim Bau der Ethylenleitung 2009. Hier befand sich eine in spätrömischer Zeit des 3. Jahrhunderts angelegte Straßenstation mit Schmiede und Taverne. Sie lag an einer Landstraße, die hier die Enz querte und auf dem gegenüberliegenden Ufer die steile Hermannsklinge hinaufführte. Die Bietigheimer Annalen beschreiben diese „Niederländische Wein- oder Gewandlandstraße” noch für das Mittelalter. Sie sei mit der Siedlungskonzentration nach Bietigheim verlegt worden. Noch Anfang des 16. Jahrhunderts seien Reste einer Holzbrücke zu sehen gewesen. Benning geht deshalb davon aus, dass auch im Mittelalter hier eine Art „Rasthaus” bestand, freilich wohl keine eigenständige Siedlung.
Die Siedlung Bietigheim ist für das Frühmittelalter indirekt durch ein umfangreiches, im 6. u. 7. Jahrhundert belegtes Reihengräberfeld an Hiller- und Löchgauer Straße bis zum Spatzenäckerweg fassbar. Im Weißenburger Codex von 870 sind auch der Herrenhof, die Kirche und 13 Hörigenhöfe aufgeführt. Problematisch ist hier, dass offenbar Herrenhof und Kirche räumlich auseinanderfallen. Grabungen in der Peterskirche in den 1930er Jahren haben nachgewiesen, dass diese bis in die frühmittelalterliche Zeit zurückreicht und damit die Weißenburger Kirche sein muss. Die Forschung geht deshalb zwingend davon aus, dass auch um die Peterskirche herum eine frühmittelalterliche Siedlung anzunehmen sei. Weder ein Reihengräberfeld noch Siedlungsspuren konnten diese These freilich bisher bestätigen. Aber: Der sehr alte Standort der Hahnschen Mühle auf der rechten Metterseite unterhalb der Peterskirche mache nur in Bezug auf eine Siedlung hier Sinn und sei somit ein wichtiges Indiz für eine Siedlung um die Peterskirche, so Benning.
Nur: Wenn wir hier um die Peterskirche eine Siedlung haben, muss diese das im Weißenburger Codex genannte Bietigheim sein. Wie aber ist dann der frühmittelalterliche Name der Siedlung, aus der 1364 die Stadt Bietigheim wurde?
Auslösende Ursache für die Siedlungskonzentration auf den späteren städtischen Standort Bietigheim sei jedenfalls eine Fehde gewesen, berichteten die Bietigheimer Annalen. Ein Fragment der Sindelfinger Annalen macht das Jahr 1291 dafür wahrscheinlich, als Graf Eberhard von Württemberg mit einem großen Heer „in Bietigheim Dörfer und Weinberge zerstörte”. Die Zusammensiedlung wird nun von den Bietigheimer Annalen als bewusster herrschaftlicher Akt beschrieben, die Bietigheimer Burg als Schutz bietender Grund. Auch wenn letztlich die Siedlungskonzentration wohl eher als ein sich über Generationen hinziehender Prozess zu verstehen sein wird, so besitzen wir in den Bietigheimer Annalen doch eine seltene Quelle für einen solchen Vorgang.