Streußeläcker, Grünwiesen, Leuchselrain - aus der Arbeit eines Flurnamenforschers

Ein Bericht von Stefan Benning über die GV-Runde am 2. Februar 2011

Reinhard Hirth berichtete am vergangenen Mittwoch beim Geschichtsverein Bietigheim-Bissingen vor fast hundert Interessierten aus der Werkstatt eines Flurnamenforschers.

Über die Beschäftigung mit den Bietigheim-Bissingener Straßennamen und die Aufbereitung seiner Erkenntnisse im Internet (http://www.pascua.de/furca.htm) kam der seit kurzem pensionierte Pädagoge Reinhard Hirth zu den Flurnamen. Beim „Spatzenäckerweg"“ etwa ist ganz offensichtlich ein Flurname zu einem Straßennamen geworden. Die Hintergründe dafür interessierten Hirth. Über seine Forschungen dazu berichtete er nun im vollbesetzten Bärensaal den interessierten Geschichtsvereinlern. Flurnamen dien(t)en der Orientierung in der Landschaft, reichen in ihrer Entstehung weit ins Mittelalter zurück und haben häufig landwirtschaftliche Hintergründe. Rasch zeigte sich, dass sinnvolle Ausgangsbasis für eine Beschäftigung mit den Flurnamen die erste systematische Landesvermessung und -kartierung von 1832 ist. Deren Unterlagen werden heute noch im Staatlichen Vermessungsamt aufbewahrt. Auf Veranlassung von König Wilhelm war 1832 die Landesvermessung für das stark vergrößerte Württemberg als Grundlage für eine einheitliche und genaue Besteuerung durchgeführt worden. Hirth erläuterte das Vermessungsverfahren, von der Aufmessung und Erstellung einer nicht maßstäblichen Skizze vor Ort, die Auflistung der Grundstücke und Grundstücksbesitzer im Brouillon bis zur anschließenden Umsetzung in eine Lithographie, einen Steindruck. Am Beispiel der Urnummernkarte, des Brouillons und der Urflurkarte von Bissingen konnte Hirth zeigen, dass selbst zwischen diesen fast gleichzeitig entstandenen Quellen Unterschiede in den aufgenommenen Flurnamen bestehen. Die Urflurkarte hat den ursprünglichen Flurnamensbestand schon reduziert.

Am Beispiel des Birkenwegs konnte Hirth eine missdeutete lautliche Interpretation aufzeigen. Der Birkenweg bezeichnet eigentlich den Weg zur südwestlich gelegenen Flur „vor der/hinter der Burg“ bzw. schwäbisch „Bürge“. Der Flurname „Burg“ bezieht sich dabei auf die dort gefundenen römischen Siedlungsreste. Aus „Burgweg“ bzw. „Bürgeweg“ wurde lautlich missinterpretiert „Birke(n)weg“. Dieser wurde ironischweise nun seinerseits Initial für das im Umfeld entstandene Baumnamenstraßengebiet. Skuril ist auch der Hintergrund des Streuseläckerwegs in Bietigheim. Urflurkarte und Brouillon verzeichnen hier die „Streifeläcker“, die in Zusammenhang stehen mit dem „Streifel (= Treufel) bach“. Ein schlichter Lesefehler (f für s) führte amtlich zum Streuseläckerweg. Ein Schildbürgerstreich! Ähnlich verhält es sich mit der Straße „Im Leuchselrain“. 1549 „Loysrain“ (= minderwertiger Abhang), 1832 „Leiselrain“ korrigierte der amtlich gutachtende Volkskundler Bohnenberger am Schreibtisch in Stuttgart 1931 in völliger Verkennung des Bedeutungshintergrunds zu „Leuchselrain“.

Historisch vertiefen lässt sich die Flurnamenforschung, wenn man auf ältere Überlieferungen zurückgeht. Hier bilden die herrschaftlichen Einkünfteverzeichnisse in sogenannten Lagerbüchern eine zentrale Quelle. Hirth präsentierte Beispiele aus dem württembergischen Lagerbuch von 1522, das er inzwischen ebenfalls aufbereitet im Internet präsentieren kann. Breit diskutiert und erläutert wurde in diesem Zusammenhang die Dreifelderwirtschaft, die in den Zelgzuordnungen der Grundstücke aufscheint.

Am Beispiel der „Grünwiesen“ konnte Hirth dann zeigen, wie wichtig es ist, für eine korrekte Bedeutungsinterpretation auf die älteste Überlieferung zurückzugehen. Nicht etwa das vorwiegend „grün“ zur Viehfütterung verwendet Gras liegt hier dem Flurnamen zugrunde. Vielmehr weist die älteste Überlieferung „Gereuwisen“ auf gereutete = gerodete Wiesen, also Wiesen, die durch eine Waldrodung entstanden sind.

Als abschließendes Ziel seiner Forschungen benannte Hirth eine Publikation der Flurnamen und einen möglichen virtueller Markungsspaziergang mit Flurnamenerläuterungen.