Ein Bericht von Stefan Benning über den Vortrag von Dr. Isolde Döbele-Carlesso auf der Jahreshauptversammlung des Geschichtsvereins am 18. Feburar 2010
Aus der Geschichte des Weinbaus im Mittleren Neckarraum berichtete Dr. Isolde Döbele-Carlesso am vergangenen Donnerstag anlässlich eines öffentlichen Vortrags des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen im vollbesetzten kleinen Saal des Kronenzentrums.
Aus der Geschichte des Weinbaus im Mittleren Neckarraum berichtete Dr. Isolde Döbele-Carlesso am vergangenen Donnerstag anlässlich eines öffentlichen Vortrags des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen im vollbesetzten kleinen Saal des Kronenzentrums.
Traditionell lädt der Geschichtsverein Bietigheim-Bissingen im Anschluss an seine Jahrhauptversammlung zu einem öffentlichen Vortrag ein. In diesem Jahr stand das Thema Weinbau auf dem Programm. Dafür konnte die Brackenheimer Stadtarchivarin Dr. Isolde Döbele-Carlesso gewonnen werden, eine der besten Kennerinnen der württembergischen Weinbaugeschichte des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. In ihrer Doktorarbeit hat sie sich intensiv mit der Geschichte des Brackenheimer Weinbaus beschäftigt und damit ein Standardwerk zur württembergischen Weinbaugeschichte verfasst. In der modernen internationalen „Weinpapst”-Literatur wird die württembergische und badische Weinbaugeschichte mehr oder minder missachtet. Darüber ärgerte sich Döbele-Carlesso und das bewog sie, mit viel Idealismus wichtige historische Texte zur württembergischen und badischen Weinbaugeschichte in einer eigenen Reihe neu aufzulegen. So sind nun wichtige Texte von Johann Caspar Schiller und Balthasar Sprenger wieder greifbar und belegen die Weitsicht und Innovationskraft der württembergisch-badischen Weinbaupraktiker.
Der 30jährige Krieg und im Anschluss daran der Pfälzische Erbfolgekrieg Ende des 17. Jahrhunderts markieren im württembergischen Weinbau einen tiefen Einschnitt. Die vorher blühende Weinbaukonjunktur erlitt durch die Kriege irreparable Schäden. In Bietigheim wandten sich die Weingärtner deshalb Anfang des 18. Jahrhunderts vom Wein ab und verlegten sich stärker etwa auf die zu dieser Zeit einträglichere Viehzucht. Brackenheim, das noch heute über 840 Hektar Weinbaufläche verfügt, blieb indes beim Weinbau als dem Hauptwirtschaftszweig. Um 1800 war hier die Weinbaufläche von vor dem 30jährigen Krieg nahezu wieder erreicht. Doch hatte der württembergische Weinbau im 18. Jahrhundert mit beträchtlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Neben klimatischen Problemen sorgte Weinpanscherei für einen erheblichen Imageschaden und damit für Absatzprobleme. Das Glykol des 17. und 18. Jahrhunderts war die gesundheitlichgefährliche Silber- oder Bleiglätte, mit der man die sauren Weine „versüsste”. Es kam sogar zu Todesfällen. Spektakulär war der Fall eines Esslinger Küfers, der 1706 in Stuttgart für seine Weinverfälschungen hingerichtet wurde. War der Landesherr zwar einerseits bestrebt mit hohen Zöllen und Einfuhrverboten für ausländische Weine den Weinbau im Lande zu schützen, so erwies er diesem mit dem Steuersystem auf der anderen Seite einen Bärendienst. Quantität statt Qualität wurde damit gefördert. Immer mehr Massenträger wie die sogenannte „Buttschere” wurden statt der empfindlichen und weniger Ertrag liefernden Qualitätsreben angebaut; die Weinqualität verfiel zusehends. Unrealistische Ertragserwartungen als Besteuerungsgrundlagen gaben den Weingärtnern den Rest. Diese mussten sich schon bei geringen Ernteinbußen auf die kommende Ernte verschulden und gerieten so in Abhängigkeit der Weinhändler. Die bereits seit Mitte des 15. Jahrhunderts bestehenden und in den sogenannten Weinrechnungen geführten amtlichen Mindestpreise sollten ein Schutz für die Weingärtner gegen eine Massenverschuldung sein. Dennoch waren die meisten Weingärtner hoch verschuldet und verarmt, während im Zwischenhandel gutes Geld verdient wurde. Insbesondere in Haberschlacht war die Situation gegen Ende des 18. Jahrhunderts besonders prekär, weil hier Hagelschläge und Fröste die Situation zusätzlich dramatisierten. Viele Weingärtner sahen keinen anderen Ausweg als auszuwandern.
Der Lemberger, der heute den besonderen Ruhm des Brackenheimer Weins ausmacht, kam erst im 19. Jahrhundert aus Österreich hierher. Vorher baute man keine sortenreinen Rot- oder Weißweine an. Üblich war der gemischte Satz, aus dem der „Schillerwein” entstand, der den Namen seiner schillernden Farbe verdankt.