Ein Bericht von Stefan Benning über die Lesung des Jugendbuchautors und Historikers Günther Bentele aus seinem Buch „Augenblicke der Geschichte“ in der GV-Runde am 3. Dezember 2008
Günther Bentele muss man in Bietigheim-Bissingen nicht vorstellen. Der langjährige, inzwischen im Ruhestand befindliche Gymnasiallehrer u. a. für Deutsch und Geschichte, engagierte Denkmalpfleger und „Retter des Hornmoldhauses“ gehört zu den Gründungsmitgliedern des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen; für einige Jahre war er dessen erster Vorsitzender. Als Historiker hat er wesentliche Beiträge zur Stadtgeschichte Bietigheims geliefert. Seit vielen Jahren schreibt er mit großem Erfolg gut recherchierte und fesselnd geschriebene historische Jugendromane. Aufmerksame Leser entdecken immer wieder versteckte Bietigheim-Bezüge in den teils preisgekrönten Romanen, die auch Erwachsene gern zur Hand nehmen. Insofern war die Lesung Benteles aus seinem jüngsten Werk „Augenblicke der Geschichte“ ein echtes „Heimspiel“. Verpackt in einzelne Geschichten vermittelt Bentele in diesem bei Bertelsmann erschienenen Band historische Phänomene, Ereignisse und Personen aus der Epoche der Neuzeit.
Passend zur gegenwärtigen Bankenkrise hatte er für den Abend die Geschichte „Milliardäre“ ausgewählt, eine Erzählung, die 1922/23 in der Bankenmetropole Frankfurt am Main angesiedelt ist und die Mechanismen und sozialen Folgen der Inflation zeigt. Wackenhorst und Wunsiedel, die beiden Protagonisten, fristen ihr Leben mit kleinen Einbrüchen und Diebstählen. Didaktisch geschickt lässt Bentele die beiden eingangs darüber sinnieren, wie unvorstellbar viel eigentlich eine Milliarde Mark sind: Wenn man seit Christi Geburt tagtäglich 1000 Mark ausgegeben hätte, könnte man davon bis ins Jahr 2740 Jahre leben (würde man es anlegen sogar noch um vieles länger). Eines Tages gelingt es den beiden, den Safe des Bankiers Dr. Bultenbrink auszurauben und Bargeld und Aktien zu stehlen. Die wertvollen Gemälde an den Wänden müssen sie hängen lassen, darunter auch einige Bilder des damals hoch im Kurs stehenden Impressionisten Gustav Schönleber (der Bietigheim-Bezug!). Während der kluge Wackenhorst in der im Gefolge des Ersten Weltkriegs sich anbahnenden Inflation die scheinbar wertlosen Akten behält, gibt Wunsiedel das Bargeld mit vollen Händen aus, lässt sich gar von Wackenhorst seine Aktien abkaufen und wird damit in der Endphase der Inflation zwar zum Banknoten-Milliardär, kann aber dafür nichts mehr kaufen. Wackenhorsts Aktien hingegen behalten nach der durch Stresemann durchgeführten Währungsreform ihren Wert, ja machen den einstigen Kleinkriminellen reich und lassen ihn sozial aufsteigen. Als Gewinner der Inflationskatastrophe wird er - Ironie des Schicksals - zum geachteten Nachbarn des Bankiers Bultenbrink, den er einst ausgeraubt hat. Wunsiedel hingegen, verarmt und verbittert, schließt sich den heraufziehenden Nationalsozialisten an.
Nach einer angeregten Diskussion über die schriftstellerische Arbeitsweise, die vorausgehenden Recherchen und die Umstände der Inflation konnte Bentele nicht umhin auf Bitten der interessierten Zuhörer, eine weitere Historische-Augenblicks-Geschichte zum Besten zu geben. Mit den Augen eines subalternen Dieners erleben wir „Schillers Aufnahme in Mannheim“, die voll Verachtung für den rothaarigen Schwaben ist, der seine Herkunft nicht verleugnen kann. Schiller schwäbelt fürchterlich und zappelt beim Rezitieren seines neuen Stücks „Fiesco“ wild herum, was peinliches Gelächter zur Folge hat. Kaum vorstellbar, dass dieses „Kaffee saufende peinliche Gerippe von Mann“ der Dichter jenes Dramas „Die Räuber“ war, das das Publikum bei Uraufführung 1782 zu Tränen gerührt und zu wilden Emotionen bewegt hat und zum Politikum wurde.