Ein Bericht von Stefan Benning über die Jahreshauptversammlung des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen und seinen Vortrag "500 Jahre Rathaus"
In einer gemeinsamen Vortragsveranstaltung der Geschichtsvereine Bietigheim-Bissingen und Besigheim präsentierte der Archäologe Dr. Ingo Stork dieser Tage im kleinen Saal des Kronenzentrums erste Ergebnisse der seit Anfang 2006 laufenden Untersuchungen des alemannisch-fränkischen Friedhofs in Hessigheim.
Dieser Tage hielt der Geschichtsverein Bietigheim-Bissingen im gut gefüllten kleinen Saal des Kronenzentrums seine Jahreshauptversammlung ab. Erster Vorsitzender Manfred Kurz ließ zunächst das von zahlreichen gut besuchten Veranstaltungen geprägte Vereinsjahr Revue passieren. Um die Schallmauer von 300 Mitgliedern zu durchbrechen, ermunterte Kurz die anwesenden Mitglieder, beim anschließenden Vortrag noch drei neue Mitglieder zu werben. Ein für das zurückliegende Jahr knapp positives Kassenergebnis konnte Kassier Reiner Theuerer präsentieren; ein Blick auf die Rücklagen beruhigte die Mitglieder indes. Der Geschichtsverein steht auf absolut solider finanzieller Grundlage. Theurers Kassenführung wurde von den Kassenprüfern Hans-Christian Wolf und Jörg Kaiser äußerste Sorgfalt bescheinigt, und so konnte auf Antrag von Helmut Butz dann der Vorstand einstimmig entlastet werden. Butz, der sich altershalber einen Nachfolger für dieses alljährliche Ehrenamt wünschte, leitete anschließend auch die Neuwahl des Vorstandes. Alle bisherigen Vorstandsmitglieder erhielten erneut das einstimmige Vertrauen: Manfred Kurz, erster Vorsitzender, Grete Fuchs, zweite Vorsitzende, Reiner Theurer, Kassier, Sonja Eisele, Schriftführerin und Albrecht Kurz Internetbeauftragter. In den Beirat wurden Michael Schirpf und Stefan Benning gewählt.
Beiratsmitglied und Stadtarchivar Stefan Benning hielt dann im Anschluss an die interne Vereinsveranstaltung einen öffentlichen Vortrag zum 500jährigen Bestehen des Bietigheimer Rathauses. Unterstützt von moderner Präsentationstechnik widmete er sich zunächst der Vor- und Frühgeschichte des Bietigheimer Rathauses und insbesondere den verschiedenen Funktionen, die dieses Multifunktionsgebäude erfüllte. Anhand der noch einmal genau analysierten Passage in den Bietigheimer Annalen konnte Benning zeigen, dass das erste Rathaus zur Dorfzeit (vor 1364) wohl im unteren westlichen Bereich der Schieringerstraße zu suchen ist. Hier macht die Topographie eine als kennzeichnendes Attribut des ersten Rathauses überlieferte (Stein-)Treppe zur Erschließung nötig. Dieses Dorfrathaus war nach der Stadterhebung 1364 verkauft worden, stand aber zur Zeit der Niederschrift der Bietigheimer Annalen durch Sebastian Hornmold noch aufrecht und war damals das Wohnhaus eines Verwandten, nämlich eines Michel Hornmold, der auch mehrmaliger Bürgermeister war. Wohl erst nach der (Neu-?) Privilegierung des Marktrechtes auf Initiative Antonia Viscontis, also um 1400, wurde auf dem heutigen Marktplatz das erste städtische Rathaus errichtet. Es stand jedoch nach einem erheblichen Bevölkerungswachstum zu Anfang des 16. Jahrhunderts einer dringend notwendigen Marktplatzerweiterung im Weg. Mit dem Herren von Freudental Konrad Schenk von Winterstetten fand man einen potenten Käufer des wohl noch recht ansehnlichen Gebäudes. Dieser ließ das Haus abbrechen und in Freudental als seinen Wohnsitz wiedererrichten. Der Standort dieses ersten Stadtrathauses ist auf dem heutigen Marktplatz anzunehmen, d.h exakt auf dem Freiraum zwischen Marktbrunnen und heutigem Rathaus. Oberhalb davon kaufte man zwei Häuser mit Hofraum dazu, riss diese ab, planierte das Gelände und errichtete darauf 1507 das neue, heutige Rathaus. Es war ein Fachwerkbau, den ein Zimmermann "zu", d.h. in Neuenbürg abgezimmert hatte. Das Rathaus besteht also bereits aus Floßholz aus dem Schwarzwald. Das Außergewöhnliche daran ist jedoch, dass offensichtlich das Gerüst bereits in Neuenbürg fertig abgezimmert wurde, ehe die exakt zurechtgebeilten und passgenau gearbeiteten Balken wohl sorgfältig nummeriert als Oblast auf einem Floß auf der Enz von Neuenbürg nach Bietigheim transportiert und hier dann aufgeschlagen wurden.
Der Bauforscher Burghard Lohrum konnte 2006 wesentliche Aussagen zur historischen Raumstruktur des Rathauses machen und das Baudatum 1507 dendrochonologisch bestätigen. Auch der Uhrenerker ist danach bauzeitlich. Im zweiten OG konnte Lohrum eine große Stube nach Nordosten hin nachweisen, die Benning als die Gerichtsstube identifizierte. Die beiden noch erhaltenen Bohlenwände mit Arkadenbemalung ließen sich zwanglos diesem Raum zuordnen. Eine weitere kleinere Stube nach Süden hin konnte Benning als Ratsstube ansprechen. Im ersten OG befand sich ein offener Saal ohne Einbauten. Hier konnte Benning eine Nutzung als "Tanz- und Hochzeitshaus" nachweisen. Das EG war ebenfalls eine offene Halle, das "Kaufhaus" mit Ständen für die Bäcker und Metzger. Von hier gab es ursprünglich keinen inneren Zugang in die Obergeschosse. Der eigentliche Zugang zum Rathaus führte über die Steintreppe im Südosten, die auch als Ort der Urteilsverkündung bei Gerichtsprozessen diente.