Ein Bericht von Stefan Benning über über einen Vortrag von Dr. Ingo Storck bei der GV-Monatsrunde am 7.3.2007
In einer gemeinsamen Vortragsveranstaltung der Geschichtsvereine Bietigheim-Bissingen und Besigheim präsentierte der Archäologe Dr. Ingo Stork dieser Tage im kleinen Saal des Kronenzentrums erste Ergebnisse der seit Anfang 2006 laufenden Untersuchungen des alemannisch-fränkischen Friedhofs in Hessigheim.
Das in klassischer Lage südlich oberhalb des alten Ortskerns im Gewann Muckenloch gelegene alemannisch-fränkische Gräberfeld war seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt. Die längerfristige Planung einer Wohnüberbauung dieses Gebietes hätte trotz knapper Finanzmittel eine gründliche systematische Ausgrabung möglich gemacht. Überraschend und ohne Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt aber hatte im Februar 2006 die Erschließung des Gebietes begonnen, so dass die archäologischen Untersuchungen unter ganz unnötigem Zeitdruck erfolgen mussten. Die Grabungen sind noch nicht abgeschlossen. Erwartungsgemäß stieß man ortsnah auf eine Fülle von Gräbern in dichter Lage in Tiefen von 40 cm bis zu 4 m. Im westlichen Auslauf zeigten Reste von Kreisgräben und eine weniger dichte Belegung Grabhügel und damit die Bestattung von Angehörigen der Oberschicht an. Die bisher untersuchten Gräber dokumentieren eine Belegung des Friedhofs zwischen dem späten 5 Jh. und dem frühen 8. Jh. und lassen Anworten auf die Fragen zu, wie der Übergang von der alemannischen zur fränkischen Bevölkerung erfolgte. Die nach 260 zunächst in unseren Raum dringenden Alemannen wurden nach der Schlacht von Tolbiacum 496 von den Franken besiegt und unterjocht. Aber räumten sie einfach das Feld wie in Hemmingen oder wurden sie assimiliert wie in Pleidelsheim?
Fünf eng beeinander liegende münzdatierte Gräber lassen eine exaktere zeitliche Einordung dieser Bestattungen in die Mitte des 6. Jahrhunderts zu, eine Zeit, in der alemannische Heere u.a. in Oberitalien an der Seite der Ostgoten gegen die Byzantiner kämpften, mit aller Wahrscheinlichkeit also auch die hier Bestatteten.
Ein großes, gegen Grabräuber antik mit Steinen abgedecktes Holzkammergrab barg die Gebeine einer sehr reichen Frau. Zu ihren Grabbeigaben gehörte u. a. ein mit Silbereinlagen verzierter eiserner Klappstuhl, dessen mediterrane Ornamentik auf eine Herstellung in Italien schließen lässt. Diese aus spätrömischer Zeit (3. Jh.) aus Königsgräbern in Nordafrika bekannten Stühle waren ein außergewöhnliches Statussymbol der römischen und byzantinischen Oberschicht. Der Hessigheimer Stuhl ist der erste seiner Art in Deutschland und neben einem weiteren Fund aus Aisne der zweite nördlich der Alpen. Er muss also einer sehr hochstehenden Frau gehört haben.
Außergewöhnlich ist auch die birituelle Doppelbestattung zweier etwa 30 Jahre alter Männer gleichen sozialen Ranges. Zu den Füßen des mit seinen Waffen (Spatha, Sax, Schild) Körperbestatteten fanden sich die calzinierten Knochenreste eines Brandbestatteten. Brandbestattungen aber waren bei Germanen im merowinigischen Kulturbereich äußerst selten, während sie bei Slawen, Nordgermanen und nicht christliche Romanen weiterhin gebräuchlich waren. Eine Erklärung für dieses Phänomen müssen weitere Untersuchungen bringen.
Ein weiteres sehr reiches Fraugrab barg eine der um 600 in Mode kommenden Scheibenfibeln aus nahezu reinem Silber (97%). Auch das Grab eines 3jährigen Mädchens dokumentierte Wohlstand: es enthielt die üblichen, hier kindgerecht ausgeführten Beigaben der Erwachsenen: Amulette, Tongefäße etc.
Die Übernahme des Christentums belegt bei der alemannischen Bevölkerung der über die Langobarden aus Italien vermittelte Brauch der Goldblattkreuze. Ein aus hauchdünner verzierter Goldfolie ausgeschnittenes Kreuz war auf ein Tuch genäht und wurde so auf den Leichnam platziert, dass die Lippen das Kreuz berührten. Mit der weiteren Verbreitung des Christentums verschwinden die Beigaben aus den Gräbern. Nun handelt es sich um Steinkisten bzw. Steinplattengräber (7. Jh.), deren Baumaterial man aus den Gebäudefundamenten eines bisher unbekannten römischen Gutshofes ganz in der Nähe zweitverwendet hatte. Im 8. Jahrhundert hören die Bestattungen im untersuchten Gräberfeld auf, weil nun wie überall der Begräbnisplatz an die Kirche verlegt wurde.