Ein Bericht von Stefan Benning über einen Vortrag von Anne D. Kurz bei der GV-Monatsrunde am 5.12.2007
In der Dezemberrunde des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen präsentierte Anne D. Kurz am vergangenen Mittwoch im Bärensaal zahlreichen Mitgliedern und Gästen unter dem Thema „Die Geburt des Jesuskindes” vorweihnachtliche Bilderreise durch mehr als 1000 Jahre christliche Kunst
Gehört das Bildthema der „Geburt Christi” auch zu den bekanntesten in der christlichen Kunst - es begegnet einem buchstäblich „alle Jahre wieder” - so konnte Anne D. Kurz in ihrem Vortrag zeigen, dass bei genauerer Betrachtung eine spannende Entwicklung und Veränderung der Darstellung festzustellen ist, deren Hintergründe nicht nur in einer gewandelten Kunstauffassung, sondern vor allem in veränderten theologischen Lehren zu suchen sind.
Schon in frühchristlicher Zeit des 4. bis 6. Jahrhunderts findet sich das Thema der Christgeburt etwa auf Sarkophagen. Anfangs noch sehr karg, ist die Darstellung zunächst auf das auf eine altarartige Liegestatt gebettete Wickelkind beschränkt, allein von Ochs und Esel begleitet. Letztere verweisen auf Jesaja 1,3: „Der Ochs kennt seinen Besitzer, der Esel seine Krippe”. Auch symbolisiert der Ochse als reines Tier das jüdische Volk, das an das Gesetz gebunden ist, der Esel als unreines Tier die heidnischen Völker unter der Last des Heidentums. Sowohl die Gottesmutter Maria wie der „Nährvater” Josef fehlen zu dieser Zeit noch ganz. Maria wird erst 431 auf dem Konzil von Ephesus die Rolle als Gottesgebärerin zugesprochen.
Anfang des 11. Jahrhunderts wird die spätantike Tradition u. a. im Hildesheimer Evangeliar wieder aufgegriffen: In antikischem Architekturrahmen, der für die Stadt Bethlehem steht, treten nun auch Maria und Josef hinzu. Schon hier befinden sich die beiden in offensichtlichem Dialog, versucht Maria dem zweifelnden Josef das unbegreifliche der Jungfrauengeburt verständlich zu machen. Diese Diskussion sollte von nun an für Generationen die Weihnachtsbilder beherrschen. Dabei verliert Josef bald seinen Nimbus und wird mehr und mehr zum Vertreter des Irdischen, hier und da mit dem Spitzhut als Jude gekennzeichnet. In den genrehaft erzählerischen Darstellungen des Spätmittelalters wird Josef nun immer mehr zum Nährvater, der nicht mehr zweifelt, sondern seine Rolle angenommen hat, sich ums Feuer und die Suppe für die Wöchnerin kümmert oder die Windel für das Neugeborene vorwärmt. Um die menschliche Geburt Jesu zu betonen, treten neben Josef schon früh auch die beiden Hebammen Zelomi und Salome ins Bild. Ihre in der Legenda Aurea (13. Jh.) kodifizierte Rolle wird von der Amtskirche indes abgelehnt, hält sich aber weiterhin im byzantinischen und niederländischen Raum. Die (Josefs)Zweifel der befleckten oder unbefleckten Empfängnis Mariens ziehen sich durch die theologische Diskussion des Mittelalters. Stellvertretend dafür stehen die Franziskaner (für unbefleckte E.) auf der einen und die Dominikaner (befleckte E.) auf der anderen Seite. Erst 1854 wird die immaculata conceptio, die unbefleckte Empfängnis durch Papst Pius IX zum Dogma erklärt.
Um 1400 erleben wir dann einen deutlichen Wandel in der Darstellung. Beispielhaft auf einer Tafel des Meisters Franke (um 1425) sehen wir das Kind nackt und bloß nicht mehr auf einer altarartigen Bühne, sondern auf dem Boden liegen, aber von ihm geht nun das Licht im Bild aus. Dieser Auffassungswandel geht auf die Visionen der Mystikerin Birgitta von Schweden zurück, deren Schriften gegen Ende des 14. Jahrhunderts große Popularität erreichten. Auch die Ulmer Maler Hans Schüchlin, Jörg Stocker stehen in dieser Tradition. Bemerkenswert ist die intime Darstellung der Heiligen Familie von der Hand Hans Baldung Griens mit einem von Putten getragenen Jesuskind, das ob der bevorstehenden Leiden alles andere als glücklich aussieht. Mit einer Entdeckung aus der Urbanskirche in Unterlimburg von 1460 beschloss Anne D. Kurz die kurzweilige weihnachtliche Bilderreise: das Holzrelief von 1460 wurde nicht im Bildersturm der Reformation beseitigt, wie viele andere bedeutende spätmittelalterliche Kunstwerke, sondern im protestantischen Sinne umgearbeitet und kann deshalb auch den heutigen Betrachter noch erfreuen.