Der Dilettant als Feldherr: Wie Hitler als militärischer Befehlshaber die Wehrmacht in einen Vernichtungskrieg führte

Bericht über einen Vortrag im Geschichtsverein Bietigheim-Bissingen am 12. Oktober 2015 im Kronenzentrum.

Auf Einladung des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen hielt der Stuttgarter Historiker Prof. Wolfram Pyta einen sehr interessanten, gut besuchten Vortrag über Hitler als militärischen Befehlshaber unter dem Titel: „Der Dilettant als Feldherr.” Im Mittelpunkt des Vortrags standen die Fragen: Wie konnte es dem militärischen Laien Hitler, der es im 1. Weltkrieg nur zum Gefreiten gebracht hatte, gelingen, die oberste militärische Führung zu übernehmen? Warum konnte er sich gegenüber dem militärischen Sachverstand der Generalität durchsetzen?

Hitler hatte seine politische Macht wesentlich durch den erfolgreichen Einsatz seiner herausragenden kommunikativen Fähigkeiten gewonnen. Der Wagner-Verehrer verstand es, seine Auftritte als Gesamtkunstwerk zu stilisieren, in denen alles auf die Inszenierung eines vermeintlichen Genies angelegt war. Er setzte Gestik, Mimik und vor allem seine Stimme dazu ein, die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen und sie zu überwältigen. Sein politisches Handeln geschah durch seine Reden, in denen er zumeist offen seine ideologischen Ziele darlegte - bis hin zur kaum verhüllten Ankündigung des Völkermordes an den Juden.

Hitler war der einzige führende Politiker im 2. Weltkrieg, der zugleich aktiv die Funktion eines militärischen Befehlshabers ausübte. Die Erfolge der ersten Kriegsjahre machten es ihm möglich, auch bei den führenden Militärs einen Geniekult um seine Person zu etablieren, zumal er durch eigene unkonventionelle Ideen im Frankreichfeldzug und bei der Stabilisierung der Ostfront im Winter 1941/42 den Kriegsverlauf wesentlich selbst bestimmt hatte. Auch die führenden Generäle hielten in dieser Zeit, so Prof. Pyta, Hitler für die Traumbesetzung als Oberbefehlshaber. Göring feierte in der Person Hitler die Verbindung von staatsmännischer Führung und genialer Feldherrnkunst und sah in ihm eine Reinkarnation Friedrichs des Großen.

Die Generalstabsoffiziere und besonders die aktiven Truppenführer waren im weiteren Verlauf des Krieges skeptischer; sie konnten aber in den Lagebesprechungen, die von Hitler allein dominiert wurden und ohne schriftliche Unterlagen stattfanden, mit ihren Bedenken nur selten durchdringen. Selbst Manstein, ein Repräsentant der Generalstabstradition, erkannte ihn als kreativen Ideengeber an, auch wenn er für das „Genie” die Ergänzung durch operativ geschulte Generäle forderte.

Nach der Niederlage von Stalingrad allerdings war Hitlers Ruf als Feldherr gerade in der militärischen Führung weitgehend erschüttert; aber die Skepsis der Generäle führte zu keiner Aktion, auch weil sie noch immer von blindem Vertrauen der einfachen Soldaten und großer Teile des Volkes zu Hitler ausgingen und daher im Falle seiner Entmachtung mit inneren Unruhen rechneten - das wollte in der Situation des Krieges niemand riskieren. Erst nach der Invasion in der Normandie im Juni 1944 hatte Hitler den letzten militärischen Kredit bei den Generälen verspielt; nicht zufällig wurde erst danach am 20. Juli 1944 der Versuch eines Staatsstreiches gemacht.