In seiner Reihe „Besuch beim Nachbar“ erkundeten Mitglieder des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen unter Führung von Manfred und Anne D. Kurz das Weindorf Horrheim, seit 1972 Teil der Stadt Vaihingen/ Enz.
Treffpunkt war die ev. Clemenskirche in Ortsmitte. Von der ursprünglichen romanischen Chorturmkirche des 13. Jhdts. zeugt noch der untere quadratische Teil des Kirchturmes. Je nach wechselnder liturgischer Anforderung und dem Anwachsen der Zahl der Gemeindeglieder wandelte sich das Gotteshaus in seinem Äußeren und Inneren. So wurde Ende des 15. Jhdts. der niedrige romanische Chor durch den Einbau eines weiter oben ansetzenden gotischen Gewölbes erhöht. Gleichzeitig wurde der Turm nach Osten aufgebrochen und der Chorraum durch einen mit hohen Maßwerkfenstern versehenen Anbau mit Dreiseitschluss vergrößert, vermutlich um einem Retabelaltar Raum und Licht zu schaffen. Nach der Reformation verlangte die Einführung des verpflichtenden sonntäglichen Predigtgottesdienstbesuches eine grundlegende Umgestaltung der Kirche. Das Langhaus wurde nach Süden und Westen erweitert und an drei Seiten mit Emporen ausgestattet. Für die Austeilung des Abendmahles wurde 1599 ein mit aufwändigem Renaissancestuck versehener Blockaltar im Bereich des ehemaligen Turmchores neu aufgemauert. Kurz danach, 1625, wurde der alte romanische Turm ins Achteck übergeführt und zu seiner bis heute bestehenden Gestalt gebracht. Der Chorraum erfuhr 1768 eine bis heute beglückende Gestaltung durch den Einbau einer geschwungenen barocken Empore, geschmückt mit den Bildern Jesu und der zwölf Apostel und darauf die Orgel mit ihrem raumfüllenden Rokokoprospekt. 1962 wurde das Langhaus neu gestaltet durch den Ausbau der beengenden Emporen und der Anhebung und leichten Wölbung der Raumdecke.
Anlässlich einer Reparatur des schadhaften Chorgewölbes im Jahr 1971 wurde dessen spätgotische Pflanzenbemalung wieder freigelegt und aufgefrischt. Den kunstgeschichtlich höchsten Schatz der Kirche entdeckte man dabei aber unter der Putzschicht der nördlichen Chorwand. Im ursprünglichen romanischen Bogenfeld legte man mit der gut erhaltenen Darstellung einer Marienkrönung das wohl bedeutendste Bild aus gotischer Zeit im Kreis Ludwigsburg frei.
Wenige Schritte von der Kirche entfernt steht das Rathaus, dessen Erdgeschoss mit seinem kräftigen Fachwerk außen und seinen starken Achteckstützen innen (ähnlich denen im Bietigheimer Ratssaal) auf eine Bauzeit Anfang des 16. Jhdts. hinweist. Das weit leichtere Balkenwerk der beiden Obergeschosse deutet auf vielfache Veränderungen v. a. Im 19. Jhdt. hin. Es war viele Jahre verblendet.
Neben dem Eingang zum Rathaus erinnert die 1995 von Karl-Ulrich Nuß geschaffenene Bronzefigur eines singenden Lautenspielers an den Minnesänger Bernger von Horrheim. Dieser ist sowohl in der Manessischen als auch in der Weingartner Liederhandschrift abgebildet. Urkundlich genannt wird er im Jahr 1196, wo er sich im Gefolge Kaiser Heinrichs VI. befand auf dessen Zug nach Sizilien.
Das am Rathaus abgebildete Ortswappen gab Gelegenheit zu einem kleinen Blick in die Geschichte Horrheims. Das Grundwort -heim des Ortsnamens lässt auf eine fränkische Siedlungsgründung des 7. oder 8. Jhdts. schließen. Eine schriftliche Erstnennung erfolgte zur Zeit Karls des Großen in einer Schenkung an das Kloster Lorsch im Jahr 771. (Erstnennung Bietigheims im selben Schenkungsbuch 789). Das Bestimmungswort „Horr“- wurde später bei der Gestaltung des Horrheimer Wappens als Horn verstanden, das deshalb auf silbernem Grund ein rotes Jagdhorn zeigt, aufgehängt an einer querliegende schwarzen Hirschstange, die auf die seit 1364 bestehende Zugehörigkeit des Ortes zur Grafschaft Württemberg hinweist. Allerdings kommt der Wortteil Horr- eher von „horo“, das Sumpf bedeutet, was darauf hinweist, dass Horrheims Erstsiedlung im feuchten Mettertal lag. Statt des edlen Jagdhorns wären also eher Binsen oder Rohrkolben im Wappen angezeigt.
Horrheim gehörte bis 1250 den Herren Belrein auf der Eselsburg, darauf den Grafen von Vaihingen bis zu deren Niedergang. Nach dem Tode des letzten Vaihinger Grafen im Jahr 1364 ging dessen ganzer restlicher Besitz an die Grafen von Württemberg, denen er es schon 1356 testamentarisch vermacht hatte. In diesem Testament wird Horrheim als Stadt bezeichnet im Gegensatz zu Bietigheim, das ungenannt zur Reihe der „weiteren Dörfer und Weiler“ gehörte.
Der städtische Charakter Horrheims lässt sich heute noch an der bewusst geplanten Siedlungsanlage erkennen, die, angelehnt an die nördlich vorbeifließende und gleichzeitig als Wehrgraben genützte Metter, ein einstmals durch Stadtmauer und Stadtgraben geschütztes Rechteck bildet. Von der mittig durch den Ort geführten Hauptstraße gehen rechtwinklig die Seitengassen ab. Das sog. Türmle an der Südwestecke des alten Ortes war Teil der Ortsbefestigung. Am alten Zollhäuschen an der Metterbrücke ist noch ein rührend gestaltetes württembergisches Wappen von 1426 oder 1436 zu sehen. Es stammt vom ehemaligen Mühltor, an dem die Horrheimer mit Erlaubnis Herzog Ulrichs von 1498 Brücken- und Wegezoll erheben durften, um damit die Brücke und die Straßen zu den Nachbarorten zu unterhalten.
Den Abschluss des Ganges durch Horrheim bildete der Besuch des Weinmuseums in der Alten Kelter mit ihrem gewaltigen Kelterbaum. Diese ehemals herrschaftliche Kelter wurde 1788 errichtet in der damals aufkommenden modernen Kelterbauweise als Sprengwerk mit liegendem Stuhl und Hängewerk, die wie in der Bietigheim Kelter von 1762 einen großen stützenfreien Raum ermöglicht.