Ein Bericht von Stefan Benning über seinen Vortrag in der GV-Monatsrunde am 5.12.2001.
Stadtarchivar Stefan Benning sprach über die Beginen in Bietigheim, einer ordensähnlich organisierten Frauengemeinschaft, die sich u.a. der Krankenpflege widmete und mit Einführung der Reformation in Württemberg 1534 hier ihre Existenz verlor.
Das sehr dicht überlieferte Bietigheimer Stadtarchiv verfügt über eine ganze Reihe einzigartiger Quellen, die über die Stadtgeschichte hinaus von Bedeutung sind und die von Stadtarchivar Stefan Benning nach und nach in den Geschichtsvereinsrunden vorgestellt werden. Neben den Bietigheimer Annalen oder dem ältesten Apotheken-Inventarverzeichnis Württembergs wird in den klimatisierten Kellern der Lateinschule auch das Nachlassinventar der letzten Bietigheimer Begine aus dem Jahre 1557 verwahrt.
Die Beginen waren ein ordensähnlicher Zusammenschluß von unverheirateten Frauen oder Witwen, die im Zuge der religiösen Umbrüche anfangs des 13. Jh. entstanden, sich rasch in den aufblühenden Städten verbreiteten und der etablierten Kirche in ihrem Streben nach Unabhängigkeit nicht immer ganz geheuer waren. Bis heute nicht eindeutig geklärt ist die Herleitung des Namens.
Auch in fast allen württembergischen Städten befanden sich im Spätmittelalter Beginenhäuser. Schon 1230 wird in Vaihingen eine Begine erwähnt, auch in Markgröningen, Großbottwar, Marbach und Bönnigheim finden wir derartige Frauengemeinschaften.
In Bietigheim hören wir erstmals 1473 anläßlich der Stiftung der St. Jakobspfründe von einem Beginenhaus am oberen Tor, also gegenüber vom späteren Schloß. Hier sollte künftig der Kaplan, der die Pfründe versorgen sollte, seine Wohnung, Pfründhaus genannt, haben. Die Randlage machten das Haus spätestens 1495, nachdem die Stadtkirche zur Pfarrkirche erhoben worden war, jedoch für den Kaplan recht unbequem. 1520 kaufte die Stadt ihm deshalb das Haus ab und ließ ihn in das alte Pfarrhaus umziehen, jenes monumentale Gebäude Pfarrstraße 8, das gerade frisch renoviert an dem kleinen Platz Pfarrstraße/Ecke Turmstraße steht.
Das alte Pfründhaus ergänzte die Stadt nun um einen vollständigen und großzügigen Neubau mit Keller und Kornschütte (Hauptstraße 68) und ließ hier „Lehenschwestern grauer Sammlung zu Vorstandt und Trost der Kranken wohnen“, wie es in einer Beschreibung in den Bietigheimer Annalen heißt. Dabei handelt es sich eben um jene Beginen, die hier als Laienschwester grauer Sammlung umschrieben werden - grau, nach der Farbe ihrer selbst hergestellten Kleidung, die aus ungefärbter Wolle bestand, Laienschwestern, weil sie kein Ordensgelübde abgelegt hatten. Auch ihre selbstgestellte und in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft sehr notwendige Aufgabe wird hier näher beschrieben: die Krankenpflege.
Mit Einführung der Reformation durch Herzog Ulrich 1534 wurden sämtliche Orden aufgehoben und das gesamte Kirchenvermögen „verstaatlicht“. Auch die Beginen hatten damit plötzlich ihre Existenzgrundlage verloren, wehrten sich aber nicht nur heftig und häufig erfolgreich dagegen, den neuen Glauben annehmen zu müssen, sondern stifteten offenbar in ihrem Umfeld auch erhebliche Unruhe. „Item und dieweil die Beginen viel Aergenuss anstiften und halten“, verordnete Herzog Ulrich 1546 deshalb,“ so sollen die Beamten sie ernstlich zu Gottes Wort und christlicher Religion anhalten und ermahnen, auch ihr Habit und Kleidung, zu verhüten Ärgernuss, zu verlassen, dazu ihnen das Sammeln gänzlich abstricken.“ Nachdem man von Seiten der Regierung, damals in diesen Angelegenheiten vertreten von Sebastian Hornmold, von dem erbitterten Widerstand dieser Frauen überrascht war, beließ man es dann herzoglicherseits in der Regel beim Status quo, d.h. man ließ die Beginen weiterhin in ihrem angestammten Beginenhaus wohnen und wartete einfach ab, bis sich das Problem auf natürliche Weise durch den Tod der Beginen löste. Besonders aufmüpfig waren offenbar die Beginen in Markgröningen. Diesen gelang es sogar in einem Rechtsstreit mit dem Herzog eine Leibrente durchzusetzen.
Irgendwann Anfang der 1550er Jahre war es dann auch in Bietigheim so weit. Mit „Schwester Anna“, deren Familiennamen wir nicht kennen, starb die letzte Begine. Ihren Nachlass erfasste man, wie seit kurzem vorgeschrieben, 1557 amtlich in einem Inventar, das glücklicherweise erhalten geblieben ist. Im wesentlichen finden wir darin Hausrat und Kleidung. Drei Webstühle mit den zugehörigen Gerätschaften weisen nicht nur auf eine weitere Form des Lebensunterhaltes, die Weberei, hin, sondern die im Inventar noch häufiger vorkommende Zahl 3 lässt auch auf die Anzahl der Bietigheimer Beginen schließen. Diese im Vergleich mit anderen württembergischen Städten doch sehr geringe Anzahl von Beginen sei nach der Ansicht von Stadtarchivar Stefan Benning ein weiteres Indiz für die noch um 1500 geringe Größe und geringe Bedeutung Bietigheims, der dann im Verlauf der folgenden Jahrzehnte ein beispielloser Aufstieg folgte.
Ein „Heiligenhäuslin“ und ein „Altartüechlin“ zeigen, dass auch die Bietigheimer Beginen sich erfolgreich gegen eine Reformation gewehrt hatten.